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Krank im Ausland – teure Erfahrung eines Reisenden

31.05.2019   Wie hoch das Kostenrisiko sein kann, wenn man eine Auslandsreise unternimmt, aber dafür keine private Auslandsreise-Krankenversicherung abgeschlossen hat, zeigt ein aktueller Gerichtsfall.

Die Höhe der Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte, die während eines Auslandsurlaubs erkranken und stationär behandelt werden müssen, richtet sich nach dem Recht des Gastlandes. Das gilt auch dann, wenn die Behandlung in einer Privatklinik stattgefunden hat. Dies erklärte das Sozialgericht Gießen in einem vor Kurzem veröffentlichten Urteil (Az.: S 7 KR 261/17).

Eine 85-jährige gesetzlich krankenversicherte Frau aus Deutschland hatte während einer Türkeireise eine Herzattacke erlitten hatte. Sie war in bewusstlosem Zustand in eine Privatklinik eingeliefert worden. Dort wurde ihr ein Herzschrittmacher eingesetzt. Das Krankenhaus hatte der Patientin umgerechnet rund 13.000 Euro für die Behandlung in Rechnung gestellt.

Die Kosten wurden von ihr verauslagt, anschließend machte sie diese gegenüber ihrer Krankenkasse als einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geltend. Denn der gesetzliche Krankenversicherungs-Schutz erstrecke sich auch auf einen vorübergehenden Aufenthalt in der Türkei. Das wurde von der Krankenkasse auch nicht bestritten. Sie erstattete der Frau aber nur etwas mehr als 1.250 Euro. Denn diese Summe wäre bei einer Behandlung in einem türkischen Vertragskrankenhaus angefallen.

Lückenhafter Krankenversicherungs-Schutz im Ausland

Denn grundsätzlich haben Reisende zwar durch die deutsche GKV in Ländern der Europäischen Union (EU) und einigen anderen Staaten, mit denen ein Sozialversicherungs-Abkommen besteht – dazu gehört auch die Türkei –, einen gewissen Krankenschutz. Allerdings wird im Rahmen der Europäischen Krankenversicherungs-Karte (EHIC) von der GKV nur eine Grundversorgung bezahlt, die meist niedriger ist als in Deutschland. GKV-Versicherten wird auf der Rückseite der elektronischen Gesundheitskarte, die sie von der Krankenkasse erhalten haben, das Bestehen der EHIC bestätigt.

GKV-Versicherte haben in den EU-Ländern und den Ländern mit einem Sozialabkommen im Rahmen der EHIC durch die GKV nämlich nur Anspruch auf solche Leistungen, die auch die Bürger des jeweiligen Landes durch eine dort bestehende gesetzliche Krankenversicherung erhalten würden. So sind in einigen dieser Länder hohe Zuzahlungen oder Selbstbeteiligungen zum Beispiel für die Behandlung beim Arzt und/oder im Krankenhaus vorgeschrieben.

Behandlungen bei privaten Ärzten oder privaten Kliniken werden häufig gar nicht übernommen. Was in den einzelnen Ländern, in denen ein GKV-Schutz besteht, von der GKV übernommen wird oder nicht, zeigen die kostenlos herunterladbaren Merkblätter zum Thema Urlaub im Ausland des GKV-Spitzenverbandes. Wer in Länder außerhalb der EU oder eines Landes reist, mit denen hinsichtlich der GKV kein Sozialversicherungs-Abkommen besteht, wie zum Beispiel Australien, Brasilien, China, Indien, Japan, Kanada und USA, der muss alle Krankheitskosten selbst bezahlen.

Systemversagen?

Im genannten Gerichtsfall wollte die Seniorin nicht hinnehmen, dass sie den Differenzbetrag zwischen den 13.000 Euro Krankenkosten und den 1.250 Euro, die sie von ihrer Krankenkasse diesbezüglich erhalten hatte, selbst tragen müsste, nicht hinnehmen und reichte dazu eine Gerichtsklage ein. Ihre Klage auf Erstattung des Differenzbetrages begründete die Betroffene damit, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen des deutsch-türkischen Sozialversicherungs-Abkommens erfüllt gewesen wären.

Dass sie in einer Privatklinik behandelt worden war, habe sie erst nachträglich erfahren. Im Übrigen habe sie, so die Meinung der Seniorin, altersbedingt keine Auslandsreise-Krankenversicherung abschließen können, welche die Kosten auf jeden Fall übernommen hätte. Bei ihrem Fall handele es sich daher um ein Systemversagen, das sie nicht zu vertreten habe. Dieser Argumentation vermochte die Richter des Gießener Sozialgerichts nicht zu überzeugen. Sie wiesen die Klage zurück.

Das Gericht hielt es zwar für erwiesen, dass es sich im Fall der Klägerin um einen Notfall gehandelt hatte, für den ihr gesetzlicher Krankenversicherer auch bei einem vorübergehenden Aufenthalt in der Türkei einzustehen hat. Maßgeblich für die Höhe der zu erstattenden Kosten sei jedoch jener Betrag, der vom türkischen Sozialversicherungs-Träger bei einer vergleichbaren Behandlung in einem Vertragskrankenhaus hätte entrichtet werden müssen. Doch das waren nur die 1.250 Euro, die ihr die Krankenkasse zugesagt habe.

Auslandsreise-Krankenschutz gibt es auch für Ältere

Im entschiedenen Fall habe zwar zwischen der Privatklinik und dem türkischen Sozialversicherungs-Träger ein Vertrag bestanden, nach dem bei einer Notfallbehandlung keine Kosten hätten berechnet werden dürfen, die über dem Niveau des Vertragskrankenhauses liegen.

Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Patientin der Klinik bis zu ihrer Entlassung den Nachweis vorgelegt hätte, lediglich einen Anspruch auf die Erstattung derjenigen Kosten zu haben, die gesetzlich Krankenversicherten in Rechnung gestellt werden. Das sei nicht geschehen. Die Klinik sei daher dazu berechtigt gewesen, der Klägerin eine Privatrechnung zu stellen.

Rechtlich nicht von Belang sei auch die Behauptung der Klägerin, dass sie wegen ihres Alters keine Auslandsreise-Krankenversicherung mehr habe abschließen können. Ihre Klage sei daher unbegründet. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Übrigens: Anders als von der Klägerin behauptet, können durchaus auch Senioren eine private Reise-Krankenversicherung abschließen, selbst wenn sie über 80 oder 90 Jahre alt sind. Zahlreiche Versicherer bieten nämlich eine Auslandsreisekranken-Versicherung ohne Altersbegrenzung an.

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