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Wie detailliert die ärztliche Aufklärungspflicht sein muss

25.12.2020   Immer wieder gibt es Streit darüber, wie umfassend eine Aufklärung vor einer ärztlichen Behandlung beziehungsweise einer Operation sein muss. Ein Gerichtsfall über eine für den Patienten nicht zufriedenstellende Knieoperation verdeutlicht, was man diesbezüglich erwarten darf und was nicht.

Wahrscheinlichkeits-Angaben im Rahmen der Aufklärung vor einer ärztlichen Behandlung haben sich grundsätzlich nicht an den in Beipackzetteln für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen zu orientieren. Das gilt auch, wenn die Angaben in einem schriftlichen Aufklärungsbogen gemacht werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil (Az.: VI ZR 117/18).

Ein unter einer Arthrose seines rechten Kniegelenks leidender Mann hatte sich in einer Klinik ein künstliches Kniegelenk einsetzen lassen. In einem vor dem Eingriff erstellten Aufklärungsbogen hieß es unter anderem: „Können Komplikationen auftreten? Trotz größter Sorgfalt kann es während oder nach dem Eingriff zu Komplikationen kommen, die unter Umständen eine sofortige Behandlung erfordern […]. Zu nennen sind: […] im Laufe der Zeit gelegentlich Lockerung oder extrem selten Bruch der Prothese; ein Austausch der Prothese ist dann erforderlich. […].“

Knapp zwei Jahre nach der Operation wandte sich der Patient erneut an die Klinik. Dort berichtete er über zunehmende Belastungsschmerzen des operierten Knies. Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, dass sich die Prothese gelockert hatte. Sie wurde entfernt und durch ein neues Implantat ersetzt.

50.000 Euro Schmerzensgeld?

Den Vorfall nahm der Kläger zum Anlass, die Klinik auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000 Euro zu verklagen.

Er verlangte außerdem die Feststellung, dass die Klinik dazu verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden aus der seiner Meinung nach fehlerhaften Erstbehandlung zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungs-Träger oder sonstige Dritte übergegangen seien.

Angesichts der Aussage einer „gelegentlichen Lockerung“ habe er nicht davon ausgehen müssen, dass schon nach zwei Jahren ein Austausch der Prothese erforderlich ist. Als „gelegentlich“ würde nämlich auf den Beipackzetteln von Medikamenten eine Häufigkeit von 0,1 bis einem Prozent definiert.

Vom allgemeinen Sprachverständnis

Mit seiner Klage hatte der Mann weder beim Landgericht noch beim Oberlandesgericht Erfolg. Auch die Richter des in letzter Instanz mit dem Fall befassten Bundesgerichtshofs hielten die Klage für unbegründet. Nach Überzeugung der Richter ist es dem Kläger weder gelungen zu beweisen, dass den Ärzten ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, noch dass er vor der Operation unzureichend aufgeklärt wurde. Die Risiken seien in dem Aufklärungsbogen nämlich nicht heruntergespielt worden.

Denn die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass nach der Implantation eines künstlichen Kniegelenks eine Lockerung auftritt, liege nach Aussage eines Sachverständigen im Bereich von bis zu 8,71 Prozent. Ein derartiger Wert sei aber von dem natürlichen Sinn des Wortes „gelegentlich“ ohne Weiteres gedeckt.

Abzustellen sei auf das allgemeine Sprachverständnis. Das aber bezeichne als „gelegentlich“ eine gewisse Häufigkeit, die größer sei als „selten“, aber kleiner als „häufig“.

Keine Allgemeingültigkeit

Darauf, dass der Wert nicht mit dem von Beipackzetteln bei der Definition des Begriffs „gelegentlich“ übereinstimmt, kommt es nach Meinung der Richter nicht an. Denn bei einem Aufklärungsgespräch müssten die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden.

„Es genügt vielmehr, den Patienten im Großen und Ganzen über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Dabei ist es nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs.

Im Übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die in Beipackzetteln verwendete Definition von Häufigkeiten in der Kommunikation zwischen Ärzten und ihren Patienten allgemein durchgesetzt habe. Der Kläger ging daher leer aus.

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