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Wenn der Hausarzt verspätet eine Krankschreibung ausstellt

26.02.2021   Ob ein gesetzlich Krankenversicherter Nachteile bei der Auszahlung des Krankengeldes hinnehmen muss, wenn er aus organisatorischen Gründen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung nur verspätet bei der Krankenkasse einreichen kann, zeigt ein Gerichtsurteil.

Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen die Krankengeldzahlung nicht einstellen, wenn ein gesetzlich Krankenversicherter ohne eigenes Verschulden eine ärztliche Folgebescheinigung nicht fristgerecht eingereicht hat. Das hat das Hessische Landessozialgericht in zwei Urteilen entschieden (Az.: L 1 KR 125/20 und L 1 KR 179/20).

Ein gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer hat nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber Anspruch auf ein Krankengeld von der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse, wenn vom Arzt weiterhin eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestätigt wird. Ist man länger krank, als in der bisherigen Krankschreibung bestätigt, muss eine Folgebescheinigung gemäß Paragraf 46 Fünftes Sozialgesetzbuch spätestens am darauffolgenden Arbeitstag nach dem letzten Krankheitstag der bisherigen Krankschreibung beginnen.

Anderenfalls erhält man für die fehlenden, nicht bestätigten Tage kein Krankengeld oder kann unter Umständen sogar seinen Anspruch auf Krankengeld komplett verlieren. Zwei Arbeitnehmerinnen, die bereits wegen einer seit einigen Wochen andauernden Krankheit ein Krankengeld bekamen, sind rechtzeitig zu ihrem Hausarzt gegangen, um sich fristgerecht das Fortbestehen ihrer Arbeitsunfähigkeit attestieren zu lassen. Dennoch gab es in beiden Fällen Ärger mit der jeweiligen Krankenkasse. Beide Fälle landeten daher vor dem Hessischen Landessozialgericht.

Organisatorische Gründe

In dem Fall mit dem Aktenzeichen L 1 KR 125/20 fiel das Ende der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auf einen Freitag. Weil sich die kranke Arbeitnehmerin weiterhin nicht dazu in der Lage fühlte, zur Arbeit zu gehen, rief sie am folgenden Montag in der Praxis ihres Arztes an. Sie wollte sich einen Termin für den gleichen Tag geben lassen. Der Mediziner befand sich jedoch in Urlaub. Man konnte ihren Terminwunsch daher nicht erfüllen. Bei dem Vertretungsarzt erhielt sie letztlich erst für den Mittwoch einen Termin. Dieser bescheinigte ihr eine Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit.

Ähnlich erging es einer Arbeitnehmerin in dem zweiten vom Landessozialgericht entschiedenen Fall. Auch sie hatte sich rechtzeitig bei ihrem Hausarzt gemeldet, wurde jedoch aus organisatorischen Gründen auf einen späteren Termin verwiesen. Das hatte zur Folge, dass die Folgebescheinigung bezüglich ihrer Arbeitsunfähigkeit verspätet bei ihrer Krankenkasse eintraf.

Beide für das jeweilige Krankengeld zuständige Krankenkassen lehnten weitere Krankengeldzahlungen ab. Sie argumentierten, dass die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten entgegen den Bestimmungen nicht lückenlos festgestellt worden war.

Unzumutbares Verlangen

Zu Unrecht, urteilte das Hessische Landessozialgericht. Es gab den Klagen der Frauen auf Fortzahlung der beantragten Leistungen statt. Die Richter stellten zwar nicht in Abrede, dass die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende des zuvor festgestellten Zeitraums ärztlich bescheinigt werden müsse.

Habe ein Versicherter jedoch vergeblich alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare unternommen, eine Folgebescheinigung fristgerecht zu erhalten, so sei eine Bescheinigungslücke ausnahmsweise unschädlich.

Das gelte zum Beispiel dann, wenn ein rechtzeitig vereinbarter Termin von der Arztpraxis verschoben wird. Es treffe ebenfalls zu, wenn ein Versicherter morgens um einen Termin für den gleichen Tag bittet, aber auf ein späteres Datum vertröstet wird. In derartigen Fällen sei es den Betroffenen nicht zumutbar, einen anderen Arzt oder gar den ärztlichen Notdienst aufzusuchen.

Sache der Krankenkassen

„Ein ‚Arzt-Hopping‘ ist gesetzlich nicht erwünscht. Ebenso kann von einem Versicherten nicht verlangt werden, dass er sich bereits Tage vorher quasi auf Vorrat um einen Arzttermin bemüht“, so das Gericht. Im Übrigen sei die nicht rechtzeitige Terminvergabe in den genannten Fällen nicht dem Aufgabenbereich der Versicherten, sondern den Vertragsärzten und damit den Krankenkassen zuzurechnen.

In den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien sei nämlich missverständlich formuliert, dass den Vertragsärzten entgegen der gesetzlichen Regelung eine zeitlich begrenzte Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit erlaubt sei.

Eine daraus resultierende Fehlvorstellung der Vertragsärzte ist nach Überzeugung der Richter Sache der Krankenkassen. Denn diese hätten als maßgebliche Akteure über den Gemeinsamen Bundesausschuss an der Formulierung der Richtlinie mitgewirkt. Das Landessozialgericht ließ in beiden Fällen keine Revision gegen seine Entscheidungen zu.

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