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Trotz Erblindungsgefahr: Keine Kostenzusage für Augenkranke

26.09.2019   Bei Therapien, deren Nutzen noch nicht wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, stellen sich gesetzliche Krankenkassen in der Regel quer. Zumal, wenn sie die Krankheit als nicht lebensbedrohlich werten. Es gibt aber Fälle, in denen sie dennoch leisten müssen.

Eine drohende Erblindung steht wertungsgemäß einer lebensbedrohlichen Erkrankung gleich. Die Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind daher gegebenenfalls dazu verpflichtet, die Kosten für eine Therapie zu übernehmen, deren Nutzen wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen ist. Dies erklärte das Sozialgericht Stuttgart in einem aktuellen Urteil (Az.: S 9 KR 1689/18).

Eine Frau leidet unter einer Retinitis pigmentosa, das ist eine erblich bedingte Netzhauterkrankung, die unbehandelt im Endstadium zur Erblindung führt. Eine neuartige Behandlungsmethode in Form einer transkornealen Elektrostimulations-Therapie schien die letzte Möglichkeit zu sein, der Frau ein Leben als Blinde zu ersparen beziehungsweise den Zeitpunkt einer Erblindung deutlich hinauszuzögern.

Die Krankenkasse, ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), bei der die Frau krankenversichert ist, wollte jedoch die Kosten der Therapie nicht übernehmen.

Ablehnungsgrund: Keine lebensbedrohliche Erkrankung

Erstattungsfähig seien nämlich nur Kosten für allgemein anerkannter Heilmethoden. Die Grundlagen des Versicherungsumfangs der GKV sind im Leistungskatalog, welcher im SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch) als Rahmenrecht steht, vorgegeben. Laut Bundesministerium für Gesundheit werden nur ausreichende, bedarfsgerechte, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende medizinische Krankenbehandlungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Nur bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung gibt es in Ausnahmefällen einen Anspruch auf eine Versorgung mit einer außerhalb des Leistungskatalogs stehenden Behandlungsmethode. Aber laut der Krankenkasse, bei der die Frau krankenversichert ist, handelt es sich bei einer Retinitis pigmentosa weder um eine akut lebensbedrohliche Erkrankung noch um eine damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.

Im Übrigen würde eine positive Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur neuartigen Behandlungsmethode, die die Versicherte als Therapie beantragt hatte, fehlen. Eine Übernahme der Kosten sei folglich auch nicht ausnahmsweise möglich. Gegen die Ablehnung der Krankenkasse, die Therapiekosten zu übernehmen, wehrte sich die Frau und reichte eine Gerichtsklage ein.

Ausreichende Indizien

Und sie erzielte einen Erfolg, denn der Argumentation der Krankenkasse schloss sich das Stuttgarter Sozialgericht nicht an. Es verurteilte die Krankenkasse dazu, der Klägerin die Kosten der Behandlung, die sie inzwischen selbst finanziert hatte, zu erstatten. Ihre Entscheidung begründeten die Richter damit, dass eine drohende Erblindung wertungsgemäß durchaus mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar sei.

Sie legten den Fall zugrunde, dass für die Behandlung einer zur Blindheit führenden Krankheit derzeit keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode zur Verfügung steht. Hier sei eine Krankenkasse zumindest dann zur Erstattung der Kosten einer Alternativmethode verpflichtet, wenn eine nicht ganz fern liegende Aussicht darauf besteht, dass diese Behandlung positiv auf den Krankheitsverlauf einwirkt.

Davon sei bei der von der Klägerin gewählten Methode auszugehen. Denn es würde ausreichende Indizien für eine positive Einwirkung geben. Das ergebe sich aus den Anwendungsbeobachtungen sowie kleineren Studien in Zusammenschau mit dem wissenschaftlichen Erklärungsmodell der Behandlungsmethode.

Kostenschutz bei Streitigkeiten mit der Krankenkasse

Wie die Gerichtsfälle zeigen, kann es durchaus sinnvoll sein, sich gerichtlich gegen das Vorgehen eines Sozialversicherungs-Trägers – im geschilderten Fall waren es gesetzliche Krankenkassen – zu wehren. Zwar sind Verfahren vor einem Sozialgericht bezüglich der Gerichtskosten und einschließlich der gerichtlich eingeholten Gutachten für die in der Sozialversicherung Versicherten sowie für die Leistungsempfänger und für behinderte Menschen kostenlos.

Allerdings muss man die eigenen Rechtsanwaltskosten, sofern man den Gerichtsprozess verloren oder einem Vergleich zugestimmt hat, in der Regel selbst übernehmen. Um auch dieses Kostenrisiko zu vermeiden, hilft eine Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung.

Eine derartige Rechtsschutz-Police übernimmt im Streitfall unter anderem die Anwaltskosten bei einem Sozialgerichtsstreit, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und vorab eine Leistungszusage durch den Rechtsschutzversicherer erteilt wurde. Eine solche Police zahlt aber auch bei zahlreichen anderen Auseinandersetzungen wie beim Einklagen von Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie beim Streit mit dem Arbeitgeber die anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten.

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