News

(K)eine Mitschuld wegen einer etwas zu hohen Geschwindigkeit

Das Opfer einer Vorfahrtsverletzung haftet bei einem Unfall nicht schon deswegen, weil es geringfügig zu schnell gefahren ist. Das gilt zumindest dann, wenn sich die Geschwindigkeits-Überschreitung nicht auf den Unfall ausgewirkt hat. So entschied das Landgericht Lübeck in einem Urteil (Az.: 14 S 166/20).

Einer Autofahrerin war von einem anderen Fahrzeugführer die Vorfahrt genommen worden. Der Kfz-Versicherer des Unfallverursachers wollte sich an ihrem Schaden nur mit einer Quote von 75 Prozent beteiligen.

Das begründete der Versicherer damit, dass die Frau die für den Unfallort geltende Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde nachweislich um fünf Stundenkilometer überschritten hatte. Sie treffe daher ein Mitverschulden und hafte auf jeden Fall aus der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Dem stimmte die Geschädigte nicht zu und klagte.

Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt vollständig zurück

In erster Instanz schloss sich das mit dem Fall befasste Lübecker Amtsgericht der Argumentation des Kfz-Versicherers an. Es wies die Klage des Unfallopfers auf einen vollständigen Ersatz des Schadens als unbegründet zurück.

Doch dem wollte das von der Klägerin in Berufung angerufene Landgericht der Stadt nicht folgen. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen hätte die Frau den Unfall auch dann nicht vermeiden können, wenn sie nicht geringfügig zu schnell unterwegs gewesen wäre. Hinter dem schweren Verkehrsverstoß des Unfallverursachers trete daher auch die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs vollständig zurück. Der Geschädigten stehe folglich der vollständige Ersatz ihres Schadens zu.

Tipp: Hat ein Pkw- oder auch ein Motorradhalter eine Verkehrsrechtsschutz-Police, kann er nach einem Verkehrsunfall ohne Kostenrisiko sein Recht vor Gericht gegenüber dem Unfallgegner und dessen Kfz-Versicherung einfordern. Eine solche Police deckt unter anderem die für das Durchsetzen von berechtigten Schadenersatz-Ansprüchen notwendigen Anwalts- und sonstigen Prozesskosten ab, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und der Versicherer für den Streitfall eine Deckungszusage erteilt hat. Die Kosten werden auch übernommen, wenn der Prozess verloren wird.